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Reform des Dekrets 231: Vorschläge der italienischen Vereinigungen Assonime und Confindustria

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 11. Juni 2025 | Lesedauer ca. 4 Minuten​​

Die lang erwartete Reform des italienischen Gesetzesdekrets 231/2001 scheint immer näher zu rücken. Die vom Justizministerium eingesetzte Expertengruppe hat Minister Nordio endlich einen Vorschlag zur Überarbeitung der Regelung zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Körperschaften vorgelegt, mit dem Ziel, eine mittlerweile über zwanzig Jahre alte Regelung angesichts der tiefgreifenden Veränderungen auf normativer und rechtswissenschaftlicher Ebene zu aktualisieren.

In Erwartung des endgültigen Textes geben wir einen Überblick über die Beiträge der italienischen Vereinigungen Assonime und Confindustria, die mit zwei am 2. und 11. April 2025 veröffentlichten Positionspapieren – „Zur Reform der Regelung zur Haftung von Körperschaften. Bemerkungen und Vorschläge“ und „​Perspektiven für eine Reform der administrativen Haftung von Körperschaften (Regelung 231)“ eine kritische Analyse und Verbesserungsvorschläge für eine umfassende Reform des Gesetzesdekrets 231/2001 vorgelegt haben.

Auf dem Weg zu einer Neuregelung des Katalogs der Vortaten

Zunächst wird besonderes Augenmerk auf die Neudefinition des objektiven Anwendungsbereichs des italienischen Gesetzesdekrets 231/2001 gelegt, indem der Katalog der Vortaten, der heute als zu weit gefasst und uneinheitlich angesehen wird, rationalisiert wird. Im Laufe der Zeit sind nämlich Tatbestände hinzugekommen, die oft wenig mit Wirtschaftskriminalität zu tun haben, als ob jedes strafrechtlich relevante Verhalten natürlicher Personen automatisch auch Auswirkungen auf juristische Personen hätte.

Vor diesem Hintergrund schlägt die italienische Confindustria eine selektive Maßnahme vor, mit der Fälle ausgeschlossen werden sollen, die offensichtlich nicht mit den Zielen der Regelung im Einklang stehen, um den Unternehmen Rechtssicherheit zu geben und die von ihnen getroffenen Präventionsmaßnahmen wirksamer und gezielter zu gestalten.

Eine angemessenere Regelung für kleine Unternehmen und eine präzisere Regelung für Unternehmensgruppen

Auch auf subjektiver Ebene fordern sowohl Confindustria als auch Assonime eine Aktualisierung der Rechtsvorschriften, die der tatsächlichen Struktur der italienischen Unternehmenslandschaft Rechnung trägt, die von Kleinst- und Kleinunternehmen und gleichzeitig von einer zunehmenden Verbreitung von Unternehmensgruppen geprägt ist.

Für kleinere Unternehmen ist die Anwendung des italienischen Gesetzesdekrets 231/2001 oft unverhältnismäßig. Es handelt sich um Strukturen mit einer vereinfachten Unternehmensführung, einer geringen Anzahl von Mitarbeitern und begrenzten Ressourcen, für die die Einführung eines Organisationsmodells oft aufwändig und wenig funktional erscheint, wenn man die Schwierigkeiten berücksichtigt, geeignete Kontrollpunkte zu identifizieren, die Trennung von Funktionen und Verantwortlichkeiten zu gewährleisten und ein strukturiertes Kontrollsystem zu schaffen, das die tatsächliche Trennung zwischen dem Willen des Urhebers der Vortat und dem Willen der Körperschaft nachweisen kann.

Die italienische Vereinigung Assonime schlägt daher die Einführung eines Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der Anforderungen zur Prävention von Straftaten vor im Verhältnis zur Unternehmensgröße vor, mit der Möglichkeit, in kleineren Unternehmen vereinfachte Organisationsmodelle anzuwenden. Confindustria schlägt noch radikaler vor, Kleinstunternehmen vom Anwendungsbereich der Regelung auszunehmen und ihnen die Möglichkeit zu lassen, freiwillig Präventionsprotokolle einzuführen, die denen des Organisationsmodells entsprechen, insbesondere um den Compliance-Anforderungen von Unternehmensgruppen oder Produktionsketten, denen sie angehören, gerecht zu werden.

Was Unternehmensgruppen betrifft, besteht Bedarf an einer gesetzlichen Regelung, die die Koordinierung zwischen den Compliance-Maßnahmen der Gruppe und den Organisationsmodellen der Tochtergesellschaften ausdrücklich festlegt und gleichzeitig die Voraussetzungen für die Rückgriffsmöglichkeit auf die Muttergesellschaft im Falle einer Straftat, die im Rahmen einer Tochtergesellschaft, auch im Ausland, begangen wurde, klarstellt.

Das Organisationsmodell zwischen Verantwortung, Prävention und Belohnung

Um dem italienischen Gesetzesdekret 231/2001 seine ursprüngliche Funktion als Instrument zur Prävention von Unternehmenskriminalität zurückzugeben, sollte die Reform das vorbildliche Verhalten von Unternehmen sowohl vor als auch nach der Begehung einer Straftat würdigen. Das derzeitige Fehlen gesetzlicher Bestimmungen zum Inhalt des Organisationsmodells hat dessen Wirksamkeit als Strafausschließungsgrund ungewiss gemacht, die heute mangels genauer Bezugsparameter im Ermessen der Rechtsprechung im Einzelfall liegt.
Vor diesem Hintergrund schlägt Confindustria vor, die wesentlichen Inhalte des Organisationsmodells – von der Risikobewertung bis zur Lückenanalyse – im Einklang mit der im Laufe der Zeit entwickelten Praxis gesetzlich festzulegen und dabei auch die Rolle der Verhaltenskodizes der Berufsverbände als Referenzparameter sowohl für die Einrichtungen als auch für die Richter zu stärken. 

Die italienische Vereinigungen Assonime und Confindustria betonen außerdem die Notwendigkeit, die gesamte Corporate-Compliance-Struktur der Unternehmen im Hinblick auf die Anerkennung einer Haftungsbefreiung aufzuwerten, indem das Organisationsmodell mit den internen Kontrollsystemen koordiniert wird, die in Übereinstimmung mit anderen sektorspezifischen Gesetzen (in den Bereichen Datenschutz, Kartellrecht, Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, ESG usw.) oder Soft Law (ISO-Normen, Legalitätsratings usw.) eingeführt worden sind, im Sinne eines in sich schlüssigen Compliance-Systems.

Schließlich wird vorgeschlagen, nachträgliches Verhalten durch Mechanismen der „verhandelten Justiz“ – in Anlehnung an „Deferred Prosecution Agreements“ – sowie durch die Anwendung der Aussetzung des Verfahrens mit Bewährungsauflagen zu fördern, um ein Gleichgewicht zwischen der Notwendigkeit der Umstrukturierung der Einrichtung und der Fortsetzung ihrer Tätigkeit zu gewährleisten.

Mehr Ausgewogenheit zwischen Verfahrensgarantien und Sanktionen

Schließlich schlagen Assonime und Confindustria einige Korrekturen auf Verfahrens- und Sanktionsebene vor: von der Aufhebung der Unterscheidung zwischen Straftaten von Führungskräften und Straftaten von Untergebenen und der Aufhebung der Voraussetzung der betrügerischen Umgehung des Organisationsmodells als Haftungsausschlussgrund bis hin zur Einführung der Bewertung subjektiver Parameter zusätzlich zum „periculum in mora“ bei der – auch vorsorglichen – Anwendung von Sanktionen; von der Angleichung der für Körperschaften vorgesehenen Verjährungsfrist an die für natürliche Personen bis hin zu der Anwendung auf Körperschaften der Strafbefreiung wegen Erlöschens der Steuerschuld gemäß Gesetzesdekret 173/2024 und wegen besonderer Geringfügigkeit der Tat gemäß Art. 131-bis Strafgesetzbuch, wie bereits für natürliche Personen vorgesehen.

Zwischen Erwartungen und Perspektiven

Die Reform des italienischen Gesetzesdekrets 231/2001 stellt eine entscheidende Gelegenheit dar, die Regelung der Haftung von Körperschaften zu aktualisieren und sie besser an die Entwicklung der Rechtsvorschriften und der Rechtsprechung sowie an die Bedürfnisse der Unternehmen anzupassen.

Gewünscht ist ein schlankeres, effektiveres System, das dank der Umsetzung kohärenter und wirksamer Organisationsmodelle eine wirklich präventionsorientierte „Compliance-Kultur“ fördert.

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