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Italien als Vorreiter: Erstes nationales Gesetz zur künstlichen Intelligenz verabschiedet

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​​​​​​​veröffentlicht am 29. September 2025 | Lesedauer ca. 8​​ Minuten


Mit der Veröffentlichung im Amtsblatt vom 25. September 2025 wird das Gesetz Nr. 132 von 2025 (im Folgenden „KI-Gesetz”) offiziell Teil der italienischen Rechtsordnung und tritt voraussichtlich am 10. Oktober 2025 in Kraft. Das Gesetz stellt das erste umfassende nationale Gesetz zum Thema künstliche Intelligenz dar und ist das Ergebnis eines komplexen und vielschichtigen parlamentarischen Verfahrens: vom Gesetzentwurf Nr., S.1146, der dem Senat vorgelegt wurde, über die geänderte Annahme des Gesetzentwurfs C.2316 durch die Abgeordnetenkammer bis hin zur Rückverweisung an den Senat und der endgültigen Verabschiedung des Textes als Gesetzentwurf, S.1146-b.

Die Gesetzesinitiative kommt zu einem entscheidenden Zeitpunkt für die Entwicklung von Technologien der künstlichen Intelligenz (KI), kurz vor der Verabschiedung der EU-Verordnung 2024/1689 („KI-Gesetz”), die zum europäischen Referenzrahmen, wenn nicht sogar zu einem echten globalen Rechtsstandard werden soll. Mit diesem Gesetz will Italien einerseits die nationalen Vorschriften mit dem europäischen Recht angleichen und andererseits einige Grundprinzipien stärken, um sicherzustellen, dass die Einführung der KI nach den Kriterien der Transparenz, Verhältnismäßigkeit, Sicherheit, Schutz der Grundrechte erfolgt und den Menschen in den Mittelpunkt stellt.

Das KI-Gesetz legt daher eine Reihe allgemeiner und übergreifender Grundsätze fest, die für alle KI-Systeme und -Modelle gelten, und führt gleichzeitig spezifische Bestimmungen für Schlüsselbereiche wie Gesundheitswesen, Forschung, Arbeit, intellektuelle Berufe, öffentliche Verwaltung, Justiz, Urheberrecht und Strafrecht ein.

Diese Analyse zielt darauf ab, die wichtigsten Inhalte des KI-Gesetzes zu überprüfen, sie zu erläutern und ihre praktischen Auswirkungen und kritischen Punkte, die auch aus der wissenschaftlichen und fachlichen Debatte hervorgegangen sind, hervorzuheben sowie einige operative Empfehlungen für Unternehmen, Fachleute und öffentliche Verwaltungen zu formulieren.

KI auf italienische Art: Zusammenfassung der Inhalte​

Allgemeine Grundsätze und Grundrechte​

Kapitel I des Gesetzes legt fest, dass Forschung, Entwicklung und Anwendung von KI unter Wahrung der Verfassungsrechte, des Unionsrechts und der Grundsätze der Transparenz, Verhältnismäßigkeit, Sicherheit, des Schutzes personenbezogener Daten, der Nichtdiskriminierung, der Gleichstellung der Geschlechter und der Nachhaltigkeit erfolgen müssen (Art. 3). Von zentraler Bedeutung ist die Gewährleistung der menschlichen Aufsicht: Keine Entscheidung darf vollständig an ein automatisiertes System delegiert werden. Ebenso wird der Schutz der demokratischen Willensbildung verankert, wobei die Verwendung von KI die politische Debatte oder die Staatssouveränität nicht beeinträchtigen darf.

In Bezug auf Daten und Informationen (Art. 4) bekräftigt das Gesetz den Vorrang einer Reihe bekannter Grundsätze, die sich aus der EU-Verordnung 2016/679 („DSGVO“) ableiten: Rechtmäßigkeit, Korrektheit, Transparenz, Zweckbindung. Besonderes Augenmerk wird auf den Schutz von Minderjährigen gelegt: Unter 14-Jährige benötigen für die Nutzung von KI-Systemen die Zustimmung ihrer Eltern, während 14- bis 18-Jährige selbstständig ihre Zustimmung erteilen können, sofern die den Betroffenen zur Verfügung gestellten Informationen angemessen und für sie verständlich sind.

Spezifische Anwendungsbereiche​​​

  • Gesundheitswesen und wissenschaftliche Forschung (Art. 7-10): KI wird als Instrument zur Unterstützung von Diagnosen und Behandlungen anerkannt, aber die endgültige Entscheidung bleibt beim Arzt. Jede Diskriminierung beim Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen ist verboten. Das Gesetz erweitert die Befugnisse der Nationalen Agentur für regionale Gesundheitsdienste („AGENAS“), die mit der Verwaltung einer nationalen KI-Plattform für die regionale Versorgung und der Herausgabe von Leitlinien für die Anonymisierung und Zusammenfassung von Daten beauftragt ist, vorbehaltlich der Stellungnahme der Datenschutzbehörde. Darüber hinaus wird die sekundäre Verwendung personenbezogener Daten, auch der besonderen Kategorien, für Forschungs- und wissenschaftliche Versuchszwecke gestattet, mit der Maßgabe, dass diese Daten zuvor eine geeignete Anonymisierung, Pseudonymisierung oder Aggregation durchlaufen haben;
  • Arbeit (Art. 11-12): Der Einsatz von KI in Arbeitsverhältnissen ist zulässig, sofern die Rechte der Arbeitnehmer gewährleistet sind. Der Arbeitgeber ist dazu verpflichtet, die Funktionsweise und die Zwecke der eingesetzten Systeme offen darzulegen und sicherzustellen, dass in automatisierte Entscheidungen menschlich eingegriffen werden kann. Beim Arbeitsministerium wird außerdem eine nationale Beobachtungsstelle eingerichtet, die die Auswirkungen der KI auf Beschäftigung und Rechte überwacht und über Beratungs- und Vorschlagsbefugnisse verfügt;
  • Intellektuelle Berufe (Art. 13): Der Einsatz von KI ist als Unterstützung der beruflichen Tätigkeit zulässig, darf jedoch den kreativen und intellektuellen Beitrag des Fachmanns nicht ersetzen. Darüber hinaus wird die Verpflichtung eingeführt, den Kunden über den Einsatz von KI-Systemen zu informieren, um Transparenz zu gewährleisten und das Vertrauensverhältnis aufrechtzuerhalten;
  • Öffentliche Verwaltung (Art. 14): KI kann zur Steigerung der Effizienz und Qualität öffentlicher Dienstleistungen eingesetzt werden, jedoch mit der Verpflichtung zur Rückverfolgbarkeit und Nachvollziehbarkeit der Funktionsweise der eingesetzten Systeme. Die persönliche Verantwortung des zuständigen Beamten bleibt bestehen;
  • Justiz (Art. 15): Der Einsatz von KI im Justizbereich ist nur zu organisatorischen Zwecken und zur Rechtsforschung zulässig. Die Übertragung von Entscheidungen an algorithmische Systeme ist verboten: Die Bewertung der Tatsachen und die Auslegung des Gesetzes bleiben ausschließlich dem Richter vorbehalten.;
  • Urheberrecht (Art. 25): Mit Hilfe von KI geschaffene Werke können urheberrechtlich geschützt sein, jedoch nur, wenn sie das Ergebnis eines wesentlichen menschlichen kreativen Beitrags sind. Es besteht die Verpflichtung, von KI generierte oder manipulierte Inhalte zu kennzeichnen, um ihre Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten;
  • Strafrecht (Art. 26): Die Verwendung von KI stellt einen erschwerenden Umstand für Straftaten dar. Es wird der neue Straftatbestand der unbefugten Verbreitung irreführender Deepfakes (Art. 612-quater Strafgesetzbuch) eingeführt, der mit einer Freiheitsstrafe von 1 bis 5 Jahren geahndet wird. Erschwerende Umstände sind bei Betrug, Unternehmensdelikten und Marktmissbrauch vorgesehen, die mittels KI begangen werden.

Zuständige Behörden und Governance​

Das Gesetz benennt zwei nationale Behörden für KI:
  • die Agentur für digitales Italien („AgID“), die für die Förderung von Innovation, Meldungen, Bewertungen und die Überwachung der Konformität zuständig ist;
  • die Agentur für nationale Cybersicherheit („ACN“), die für die Überwachung, Inspektionen und Sanktionen sowie für die Entwicklung der KI im Bereich der Cybersicherheit zuständig ist.

Neben AgID und ACN bleibt die Zuständigkeit der Branchenbehörden bestehen: beispielsweise die Consob für die Überwachung der Finanzmärkte und den Einsatz von KI bei Investmentdienstleistungen, die IVASS für den Versicherungssektor und die Banca d'Italia für den Banken- und Kreditbereich. Diese Behörden sind aufgefordert, sich mit den nationalen KI-Behörden abzustimmen, um eine harmonische und integrierte Anwendung der Vorschriften zu gewährleisten.

Befugnisse der Regierung​​

Art. 24 des Gesetzes 132/2025 ermächtigt die Regierung in weitreichendem Umfang, innerhalb von zwölf Monaten ein oder mehrere Gesetzesdekrete zu erlassen. Damit soll die vollständige Anpassung des nationalen Rechts an den A.I.-Act gewährleistet und die rechtmäßige Nutzung von KI-Systemen auf nationaler Ebene geregelt werden. Die Regierung erhält zugleich die Befugnis, Inspektions- und Sanktionsmechanismen festzulegen und entsprechende Leitlinien zu erlassen.

Die Befugnis umfasst:
  • Allgemeine Rechtsangleichung: Die Verpflichtung der Regierung, die nationalen Rechtsvorschriften (einschließlich der Bereiche Banken, Finanzen, Versicherungen und Zahlungsverkehr) zu ändern, zu ergänzen oder aufzuheben, um die vollständige Umsetzung des A.I.-Act zu gewährleisten, wobei den zuständigen nationalen Behörden alle in den europäischen Vorschriften vorgesehenen Aufsichts-, Kontroll- und Sanktionsbefugnisse übertragen werden;
  • Sekundärrecht und Sanktionen: Möglichkeit, auf Verordnungen unabhängiger Behörden zur Regulierung bestimmter Bereiche zurückzugreifen, wobei diesen Behörden die Befugnis eingeräumt wird, entsprechende Sanktionen und Verwaltungsmaßnahmen zu verhängen;
  • Ausbildung und Sensibilisierung: die Einrichtung von Ausbildungs- und Fortbildungskursen zum Thema KI für Bürger, Fachleute, Studenten und Unternehmer, auch über Berufsverbände und Branchenverbände;
  • Spezifische Bereiche: die Notwendigkeit, spezielle Vorschriften für den Einsatz von KI bei polizeilichen Tätigkeiten zu erlassen;
  • Marktüberwachung: Übertragung der Befugnis an die Aufsichtsbehörden, Auskunftsersuchen, Inspektionen, auch ohne Vorankündigung, und Kontrollen von risikoreichen KI-Systemen durchzuführen;
  • Anpassung der Sanktionen: Aktualisierung des nationalen Rahmens für Verwaltungs- und Strafsanktionen im Einklang mit dem A.I.-Act.

Zeitplan für die Umsetzung

  • 15 Tage nach Veröffentlichung im Amtsblatt: Das Gesetz Nr. 132/2025 tritt offiziell am 10. Oktober 2025 in Kraft;
  • 90 Tage: Erlass des Dekrets des Arbeitsministeriums zur Einrichtung der KI-Beobachtungsstelle;
  • 120 Tage: Erlass des Dekrets des Gesundheitsministeriums zur Verwendung von Daten in der Forschung und wissenschaftlichen Experimenten;
  • 12 Monate: Verabschiedung der Durchführungsdekrete zu Daten, Algorithmen, Verantwortlichkeiten und Sanktionen;
  • Übergangsphase: Das Justizministerium kann KI-Experimente in Gerichten genehmigen.

Schlussfolgerungen und operative Empfehlungen

Das Gesetz 132/2025 markiert einen wichtigen Schritt: Erstmals schafft der italienische Gesetzgeber in Abstimmung mit dem europäischen Recht einen eigenen Rechtsrahmen für KI und nimmt damit eine Vorreiterrolle gegenüber den anderen Mitgliedstaaten ein. Gleichwohl bleiben verschiedene Auslegungsfragen bestehen:
  • die mögliche Ausweitung der Verpflichtungen im Vergleich zum A.I.-Act, einer übergeordneten Rechtsquelle; 
  • die unzureichende Differenzierung zwischen den verschiedenen Akteuren der Lieferkette (z. B. Lieferanten, Nutzer, Händler) sowie das Fehlen einer Risikobewertung der verschiedenen KI-Systeme (das Gesetz unterscheidet etwa nicht zwischen Hochrisiko-Systemen und Systemen mit geringem Risiko); 
  • die Unbestimmtheit einiger gesetzlicher Bestimmungen, die vielfältige Auslegungen zulässt und damit das Risiko rechtlicher Unsicherheit birgt (etwa im Hinblick auf den Einsatz von KI im beruflichen Bereich oder das Verhältnis zu Urheberrechts- und Datenschutzregelungen).

Um Verstöße und damit verbundene Sanktionen zu vermeiden, sollten Unternehmen, öffentliche Einrichtungen und Freiberufler daher so schnell wie möglich die folgenden Maßnahmen ergreifen:
  1. Interne Kartierung: Identifizierung der bereits verwendeten KI-Prozesse und -Systeme, um sie nach den im KI-Gesetz eingeführten Risikokriterien zu klassifizieren;
  2. Organisatorische Anpassung: Entwicklung klarer Informations- und Verfahrensstandards, Einrichtung von Rückverfolgbarkeits- und Kontrollmechanismen sowie Aktualisierung der Organisationsmodelle, damit auch Risiken aus einer möglichen rechtswidrigen Nutzung von KI erfasst werden;
  3. Schulung und Unternehmenskultur: Förderung von Fortbildungskursen zu KI und rechtlicher Verantwortung unter Einbeziehung der Unternehmensleitung;
  4. Überwachung der Rechtsvorschriften: Sich auf dem Laufenden halten und die Verabschiedung der Durchführungsbestimmungen, die in den nächsten 12 Monaten folgen werden, aufmerksam verfolgen, um Prozesse, Governance und Verträge rechtzeitig anzupassen.
  5. Datenmanagement: Stärkung der Datenschutzverfahren unter besonderer Berücksichtigung der Anonymisierung und Pseudonymisierung im Einklang mit den AGENAS-Leitlinien und den Vorschriften der Datenschutzbehörde.

Letztendlich stellt das Gesetz 132/2025 einen Prüfstein für das italienische Rechts- und Wirtschaftssystem dar. Seine Wirksamkeit hängt nicht nur von der Qualität der künftigen Durchführungsbestimmungen ab, sondern auch von der Fähigkeit von Unternehmen, Fachleuten und Verwaltungen, es kohärent, verantwortungsbewusst und praxisgerecht auszulegen und anzuwenden.

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