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Funktionale Autonomie bei der Übertragung eines Betriebszweigs: Urteil des Obersten Gerichtshofs Nr. 17201/2025

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​​​​​​​veröffentlicht am 10. September 2025 | Lesedauer ca. 3 Minuten


Im Rahmen außerordentlicher Unternehmenstransaktionen stellt die Betriebszweigübertragung ein strategisches Instrument zur Restrukturierung und Rationalisierung der Geschäftstätigkeit dar. Sie ermöglicht es einem Unternehmen, einen Teil seines betrieblichen Komplexes auf Dritte zu übertragen, wobei die operative Kontinuität gewahrt und häufig Kosten und Ressourcen optimiert werden.


Damit eine solche Transaktion jedoch rechtlich als Übertragung eines Betriebszweigs qualifiziert werden kann, muss der übertragene Komplex über eine vorbestehende funktionale und organisatorische Autonomie verfügen, die es ihm erlaubt, als eigenständige wirtschaftliche Einheit zu agieren. Gemäß Art. 2112 Abs. 5 des italienischen ZGB wird ein Betriebszweig definiert als jeder „funktional autonome Betriebsteil einer organisierten wirtschaftlichen Tätigkeit, der zum Zeitpunkt der Übertragung vom Veräußerer und Erwerber als solcher identifiziert wird“.

Dieses Prinzip der funktionalen Autonomie, das bereits in der Rechtsprechung verankert ist, wurde kürzlich vom Obersten Gerichtshof mit dem Urteil Nr. 17201 vom 26. Juni 2025 (im Folgenden das „Urteil“), das wichtige Denkanstöße liefert und Gegenstand dieser Analyse ist, bestätigt.

1. Der konkrete Fall

Gegenstand der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs war die Übertragung der Abteilung für Forderungseinzug der Intesa Sanpaolo Group Services S.c.p.A. (später in Intesa Sanpaolo S.p.A. eingegliedert) an Tersia S.p.A., später umbenannt in Intrum Italy S.p.A..

Die Transaktion, formal als Betriebszweigübertragung bezeichnet, wurde von den Arbeitnehmern der Erwerberin angefochten, mit der Begründung, dass die Übertragung nichtig sei:
  • wegen fehlender Autonomie der übertragenen Abteilung – laut den Klägern war der übertragene Komplex nicht in der Lage, die Inkassotätigkeit eigenständig auszuführen oder diesen Dienst auf dem Markt anzubieten, da er keine eigenen Mittel besaß und von Serviceverträgen mit der Veräußerin abhängig war – und;
  • wegen fehlender Vorexistenz des Betriebsteils vor der Übertragung.

2. Funktionale Autonomie als strukturelles und nicht nur operatives Kriterium

Der Oberste Gerichtshof analysierte insbesondere zwei zentrale Aspekte:
  1. die strukturelle funktionale Autonomie, verstanden als strukturelles und nicht lediglich operatives Kriterium, und;
  2. die „entmaterialisierte“ Natur des Betriebszweiges und die Grenzen seiner rechtlichen Konfigurierbarkeit, wobei ein Ausgleich zwischen den in der Lehre vertretenen Positionen gesucht wurde.

Bezüglich des Autonomieerfordernisses stellte der Oberste Gerichtshof klar, dass „der übertragene Betriebszweig in der Lage sein muss, unternehmerische Tätigkeit unabhängig von einem etwa gleichzeitig abgeschlossenen Dienstleistungsvertrag zwischen Veräußerer und Erwerber auszuüben.“
Die Autonomie darf also nicht künstlich im Moment der Übertragung konstruiert, sondern muss vorbestehend und strukturell verankert sein. Dieses konstitutive Element ist eng mit dem Erfordernis der Vorexistenz verbunden, wie es auch der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 6. März 2014 (C-458/12) betont hat: „Die Autonomie der übertragenen Einheit muss in jedem Fall vor der Übertragung bestehen.“

Hinsichtlich des zweiten Aspekts des Urteils, ist hervorzuheben, dass die italienische Rechtsliteratur in Bezug auf die Definition des „Betriebs“ gespalten ist. Eine Auffassung schließt Verträge, Forderungen und Verbindlichkeiten aus dem Betriebsbegriff aus und zählt nur Verträge dazu, mit denen sich der Unternehmer die Verfügbarkeit von Betriebsmitteln sichert. Eine andere Auffassung bestätigt das Vorliegen eines Betriebszweiges, wenn dieser hauptsächlich aus Rechtsverhältnissen besteht, etwa Arbeitsverträgen, Lieferanten- oder Kundenverträgen.

Der Oberste Gerichtshof nähert sich der zweiten Auffassung an und bestätigt abstrakt die Möglichkeit eines entmaterialisierten Betriebszweigs an, macht dessen Legitimität jedoch von einer tatsächlich bestehenden funktionalen Autonomie abhängig. Es gelingt dem Obersten Gerichtshof somit, einen rechtlichen Ausgleich zwischen dem konkreten strukturellen Kriterium und der abstrakten Relevanz juristischer Beziehungen zu schaffen.

Im konkreten Fall stellte der Oberste Gerichtshof fest, dass der übertragene Betriebszweig – auch wenn er teilweise aus entmaterialisierten Rechtsverhältnissen bestand – nicht über die organisatorische und funktionale Autonomie verfügte, um eine Produktion von Gütern und Dienstleistungen zu gewährleisten. Insbesondere die Serviceverträge über Softwareprogramme, die im Rahmen der Übertragung abgeschlossen wurden, zeigten eine funktionale Abhängigkeit des übertragenen Betriebszweigs von der Veräußerin, durch die seine Qualifikation als eigenständige Einheit ausschlossen wurde.

3. Fazit

Mit dem Urteil Nr. 17201/2025 bestätigt der Oberste Gerichtshof die bisherige Rechtsprechung und insbesondere, dass „eine Ansammlung von fragmentierten Tätigkeitsprozessen ohne die notwendige Autonomie zur Produktion von Gütern und Erbringung von Dienstleistungen keinen Betriebszweig darstellen kann“. Die wirtschaftlich-organisatorische Substanz einer Transaktion wird über die rein formale Gestaltung gestellt.  Das Urteil regt zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Gegenstand des zu übertragenden Betriebsteils an, um zu vermeiden, dass die Übertragung lediglich in einer Auslagerung von Personal oder Funktionen ohne organisatorische und funktionale Autonomie besteht und dessen Funktionsfähigkeit ausschließlich durch Verträge mit dem Veräußerer sichergestellt wird. Die Übertragung eines Betriebsteils muss auf objektiven und überprüfbaren, gesetzlich vorgesehenen Voraussetzungen beruhen.  Sie muss auf objektiv nachvollziehbaren und überprüfbaren Voraussetzungen beruhen. Fehlen diese Voraussetzungen, kann dies zur Unwirksamkeit der Transaktion gegenüber Dritten und zur Nichtigkeit der Übertragung zwischen den Parteien führen.

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